Von welchem Stern seid ihr denn: Fixed Tour von Bochum nach Köln
Manchmal gibt es Tage, an denen passiert einfach zu viel, um nachher noch mal alles zu rekapitulieren. Da denkst du, du hättest schon alles gesehen und dann landest du in einem RE 1 von Köln über Dortmund nach Hamm, der vollgestopft ist mit Hardcore-Techno-Gabber-Thunderdome-Jüngern, die auf dem Weg zu einer der größten Partys ihrer Musikrichtung in den Dortmunder Westfalenhallen sind. Und während du dich daran vergnügst, dass die Jungs und Mädels – aufgrund welchen Drogenmixe auch immer – nicht verstehen, dass du immer wieder den Tür-Öffnen-Knopf des Zug-Klos drückst, nachdem sie auf den Schließen-Knopf gedrückt haben, denkst du daran zurück, wie du in diese Lage gekommen bist, was dich hier her geführt hat.
Los geht es für Henning und mich um 10.30 Uhr in Dortmund, Treffen am Hauptbahnhof. Regionalexpress 1 (kurz: RE 1), das Radabteil ist mäßig gefüllt, ein netter Plausch mit zwei Downhill-Mountainbikern, die gerade aus Winterberg zurück kommen, verkürzt die Fahrt nach Bochum. Und während sich die Fixed Fahrer unterhalten, wie krass Downhill-Bikes gebaut sind, erfreuen sich die Downhiller an der Schlichtheit der Bahnräder. So schön divers kann Radfahren sein – und so entspannt kann es unter Radfahrern ablaufen, selbst wenn sie mit komplett unterschiedlichen Zweirädern unterwegs sind. Dass es auch weniger entspannt geht, werden wir heute aber noch lernen.
Von Bochum an der Ruhr entlang nach Essen und weiter nach Düsseldorf
In Bochum geht es zum Schauspielhaus, dem obligatorischen Treffpunkt. Zwischen Whatsapp- und Facebook-Kommunikation ist aber irgendwie die Neuorganisation des Treffpunktes untergegangen (Hauptbahnhof), die Gruppe von acht Jungs findet aber doch noch zusammen. Nach kurzem Schnack und Strava-Start geht es auf einem schicken neuen Radweg in Richtung Ruhr, auf die wir in Bochum-Dahlhausen treffen. Eine kurze Schotter-Einheit folgt bevor es auf die andere Seite der Ruhr geht – der Fahrradweg ist schmal, aber gut befahrbar und relativ frei von zu langsamen Rentnern (normales Fahrrad) oder zu schnellen Rentnern (Pedelecs). Ich bin zum ersten Mal zwischen Bochum und Essen an der Ruhr unterwegs und schnell ist klar: Das war nicht das letzte Mal. Die Strecke ist echt schön so direkt am Wasser – vor allem bei dem strahlenden Sonnenschein, der uns die komplette Fahrt über begleitet. In Essen-Steele wird wieder auf die andere Ruhr-Seite gewechselt und Dennis muss sein Ritzel nachziehen, was zu einer willkommenen, kurzen Trinkpause nach 18 Kilometern führt.
Nach ein paar weiteren friedlichen Radwegkilometern geht es auf die B227, die wir aber schnell wieder verlassen können. An Essen-Heisingen fahren wir auf normalen Straßen vorbei, bis wir bei Kilometer 28 wieder auf den Radweg und den Baldeneysee treffen. Unterhalb der Villa Hügel dann wieder Straßenkilometer; wir könnten sicherlich auch Radwege nehmen, aber meist sind die zu eng oder führen zu größeren Umwegen, worauf niemand bei der Gesamtstrecke Lust hat. Durch Essen-Werden geht es weiter nach Kettwig, dort ein letztes Mal über die Ruhr. Kurze Müsli-Riegel-Pause, während der wir besprechen, wie wir weiterfahren. Wir entscheiden uns für eine Mini-Bergetappe, die es mit ein paar fiesen Spitzkehren und Rampen dann doch in sich hat. Über Ratingen-Lintorf, Kaiserwerth und am Flughafen vorbei geht es nach Düsseldorf-City und in die Altstadt. Großer Fehler, wie sich herausstellt. Es ist (wie zu erwarten) sauvoll und schwer, mit den Rädern durch die Menschenmassen zu kommen.
Alle haben Hunger und so geht es in den nächsten Supermarkt und an die nächste Pommersbude. Und während wir da so mit unseren Pommes rot/weiß sitzen, kommt ein Typ mit einem Singlespeed (nur mit Vorderbremse) vorbei und quatscht uns an. Und das irgendwie von Anfang an unfreundlich.
Er: „Von welchem Stern seid ihr denn? Fahrt ihr die Räder nur zum Spaß fixed?“
Wir: „Ja.“
Er: „Seid ihr Kuriere?“
Wir: „Nein.“
Er: „Dann macht mal schön eure Knie kaputt. Ciao.“
Sagt er und schiebt sein Rad weiter während er seine Messenger-Tasche auf dem Rücken zurecht rückt. Learning aus der Geschichte: Wenn du Kurierfahrer bist, ist es okay, fixed zu fahren. Wenn du das nur zum Spaß oder als Sport machst, hast du zumindest nicht den Respekt dieses Düsseldorfer Singlespeeders verdient.
Da wir vermeiden wollen, dass Düsseldorf uns noch unsympathischer wird, fahren wir nach dem „netten“ „Gespräch“ direkt weiter. Durch Bilk und nach ein paar mehr oder weniger engen Radwegen mit wenig Gegenverkehr überqueren wir den Rhein bei Neuss und fahren bis Uedesheim an einem Deich entlang. Beim Wechsel auf einen anderen Fahrradweg dann das nächste „nette“ Zusammentreffen mit einem Radfahrer, der uns ziemlich flott mit seinem Mountain-/Fitnessbike entgegen kommt und wohl das Gefühl hat, dass wir ihm nicht genug Platz auf dem Weg lassen, woraufhin Bastian ein „du dreckiger Hund“ an den Kopf geworfen wird. Wenigstens war die Wortwahl kreativ. Wir verbuchen Beleidigung Nummer 2 für heute und fahren weiter nach Dormagen. Dort machen wir den Fehler, durch die Fußgängerzone zu FAHREN, was uns die nächsten Anschreier und Beleidigung Nummer 3 des Tages einbringt. Zusammen mit den obligatorischen Anhupern, wenn man als Gruppe auf einer normalen Straße unterwegs ist, kommen wir uns heute schon ziemlich gedisst vor.
Herzlicher Empfang und Kölsch im 42wheels
Aber das ist jetzt, bei knapp 90 Kilometern auch egal, denn das Ziel liegt in greifbarer Nähe. Ein paar Ortsschild-Sprints, die meist Nils und Bastian unter sich ausmachen, gibt es noch, dann ist Köln erreicht. Ein bisschen Sucherei, die dank eines Garmins und Google Maps aber schnell durch ist, und wir haben das 42wheels gefunden, einen kleinen Fahrrad-Konzeptstore im Belgischen Viertel. Der feiert seine Eröffnung und ist für uns (bzw. für Dennis, der zur Tour eingeladen hatte) überhaupt erst der Grund, die knapp 110 Kilometer von Bochum nach Köln zu fahren. Wir werden supernett von Patrick, einem der Besitzer des Ladens, empfangen und dürfen uns am Kölsch-Vorrat vergehen. Nach viereinhalb Stunden im Sattel tut schon die erste Flasche ihren Dienst und sorgt für ein leicht angetrunkenes Gefühl. Der Shop ist nett gemacht, mit ein paar Fahrradaufbewahrungslösungen, einigem an Klamotten und Rucksäcken sowie einer Kinderabteilung. Alles untergebracht in einer Garage mit angeschlossenem Designbüro. Leider bleibt uns nicht allzu viel Zeit, da wir den Zug zurück in den Ruhrpott kriegen müssen und das obligatorische Bild vor dem Dom natürlich nicht fehlen darf.
Zurück geht es dann, wie anfangs erwähnt, mit dem RE1 (wobei Bastian nach Oberhausen muss und daher eine andere Bahn nimmt). Einziger Lichtblick zwischen den ganzen Techno-Kaputten ist ein besoffener Paderborn-Fan, der ganz trocken meint: „Bochum nach Köln mit dem Fahrrad. Läuft bei euch!“ In Dortmund angekommen dann noch ein schnelles Pils „an der Treppe“, bevor ich nach Hause fahre und mir direkt eine warme Badewanne einlasse.
Fazit
Es war ein richtig cooler Tag mit einer absolut machbaren Tour (selbst für mich, der noch nie weiter als 80 Kilometer gefahren war und die vergangenen Wochen so gut wie gar nicht fahren konnte) in einer tollen Gruppe, die auf halbwegs gleichem Niveau war – auch wenn Nils und Bastian sicherlich schneller gekonnt hätten und oft auf uns andere warten mussten! Die Strecke verlief meist auf guten Radwegen und selbst die Straßen waren okay zu befahren. Angehupt wird man eh immer, wenn man mit mehr als zwei Leuten unterwegs ist und zur „Verkehrshindernis“ wird. Strava sagte mir nachher, dass ich 108,5 Kilometer und 468 Höhenmeter hinter mich gebracht hatte bei einem Schnitt von 22,1 km/h. Meine Beine sagten mir, dass Strava Recht hatte.
Galerie
Kleine Notiz am Rande: Henning hat sich mindestens vier Mal umgezogen. Von lang auf kurz auf lang auf halbkurz auf oben kurz unten lang auf wieder komplett lang. Immerhin war aber jedes Kleidungsstück vom Team Sky, wodurch die Wechselorgie fast nicht aufgefallen wäre. Ich dachte, ich erwähne das aber doch noch mal ganz am Schluss, damit Henning nicht denkt, dass irgendjemand das vergisst. Das Internet vergisst nichts. har har. 😉